Alltagsethik

Agenda Mensch. Warum wir einen neuen Generationenvertrag brauchen

Agenda Mensch. Warum wir einen neuen Generationenvertrag brauchen von Claus Hipp

„Mir geht es darum, die Dinge auszusprechen, die uns alle betreffen“, so formuliert Hipp die Idee hinter seinem Buch und beginnt sogleich mit der herausfordernden These:

„Der viel beschworene Generationenvertrag gilt nicht mehr!

Anhand gut recherchierter Beispiele schildert er den aktuellen besorgniserregenden Zustand der sozialen Marktwirtschaft,  auf dessen Basis letztendlich der Generationenvertrag begründet sei. Insbesondere der dramatische Geburtenrückgang, von dem auch sein eigenes Unternehmen betroffen ist,  als auch die zunehmende Überalterung unserer Gesellschaft, erschüttere den Generationenvertrag. Einen weiteren Problemkreis sieht Hipp in dem Thema Bildung.  „Wir haben international den Anschluss in der Bildung verloren. Immer mehr junge Menschen verlassen die Schule ohne Abschluss oder mit einer mangelhaften Grundbildung“. Gerade diese mangelhafte Grundbildung zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Sie zeige sich in einer verängstigten Gesellschaft, die in Veränderungen eher Risiken denn Chancen sieht, dem Materiellen übermäßigen Wert zukommen lässt und „darüber die wesentlichen geistigen Dimensionen unseres Daseins vergisst“.

„Die soziale Marktwirtschaft ist und bleibt das beste Wirtschaftssystem“

Auch wenn die Herausforderungen an die soziale Marktwirtschaft erdrückend wirken, so plädiert Hipp keineswegs für einem Systemwechsel.  Denn nur sie garantiere, zumindest weitestgehend, einen fairen Austausch aller wirtschaftlicher Leistungen unter Wahrung eines „gesunden“ Eigeninteresses des Einzelnen.  „Es ist das gesündeste und gerechteste System“, so Hipp. Wobei er gerade aufgrund der aktuellen wirtschafts- und finanzpolitischen Verwerfungen  vernünftige ordnungspolitische Rahmenbedingungen empfiehlt, die durchaus die Freiheit des Einzelnen einschränken können. Eine überragende Bedeutung bemisst er hierbei der konsequenten Anwendung des Haftungsprinzips, das in den Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft zwar verankert sei, dessen Umsetzung jedoch oftmals zu wünschen übrig ließe.

Als gläubiger Christ betont Hipp sicherlich nicht zuletzt die humanistische Seite der sozialen Marktwirtschaft. Sie basiere auf einem positiven Menschenbild, gekennzeichnet durch  Würde und Freiheit des Einzelnen, Eigenverantwortung und sozialer Solidarität.

„Wir brauchen einen umfassenden neuen Generationenvertrag!“

Nun sei die Intention für dieses Buch keinesfalls nur die Analyse von „bitteren Wahrheiten“,  sondern, so Hipp,  gleichermaßen eine Sammlung von Empfehlungen und Forderungen,  die ein neues Bündnis der Generationen in Deutschland begründen helfen. Prominent an erster Stelle seiner Forderungen stehe der Ruf nach einem Wandel des Bildungssystems – weg von der rein fachlich, auf die berufliche Qualifikation ausrichteten Ausbildung, hin zu einer neuen Betonung und Vermittlung humanistischer Grundbildung. Diese erst ermögliche ein notwendiges Überblickswissen, biete Methodenkompetenz und vor allem Sinnorientierung.  Er geht gar so weit zu fordern „… Grundwissen in Philosophie sollte jeder haben – Vertrautheit mit der Art und den Methoden wie Fragen gestellt, Probleme formuliert und Antworten gesucht werden“ Diese vermeintlich unseren Traditionen verbundene Rückbesinnung zeigt sich ebenfalls in seinem Plädoyer für die Renaissance der Familie. Als Vater von fünf Kindern kann man ihm durchaus detailliertes Erfahrungswissen konstatieren. Staat und Gesellschaft aber auch die Unternehmen als Arbeitgeber fordert er zur Reflexion auf. Sinnvolle Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden, um Kinderarmut, Vernachlässigung und ungenügende Bildung zu verhindern. Auch Unternehmen – und hier agiere seine Firme bereits sehr vorbildlich – können ihren wertvollen Teil zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen.

Allerdings warnt Hipp vor einer Überregulierung und Gesetzesflut, sei es in Bezug auf die Familien oder andere gesellschaftliche Gruppen. „Wir brauchen weniger Regulierung und mehr Menschen, die sich an die Regeln halten.“ Hipp sieht sich als ein großer Verfechter einer weitreichenden Deregulierung. Dringende Handlungsfelder sieht er beispielsweise in der aktuellen – völlig unübersichtlichen – (Steuer)Gesetzes- und Verordnungslage, in der Öffnung der Arbeitsmärkte und dem Umweltschutz. Als Alternative plädiert Hipp für das Prinzip der Vertragsfreiheit, der Wiederkehr der Ermessensentscheidung und einer radikalen Steuervereinfachung.

„Lebenserfahrung als Sozialkapital – die Wiederkehr der Altersweisheit“ Mit über 70 selbst noch ein aktiver erfolgreicher Unternehmenslenker und mitten im Leben stehend liegt ihm die Wertschätzung der älteren Mitbürger besonders am Herzen. „Wir können nicht auf das Potential, die Erfahrung und das Wissen älterer Menschen verzichten!“ Auch die Sinnorientierung spielt eine gewichtige Rolle. Das Alter ist zu einem völlig eigenständigen Lebensabschnitt avanciert, der mit wertvollen Inhalten zu füllen ist und von optimalen äußeren Umständen begleitet werden sollte. Viele ältere Menschen möchte sich noch in die Gesellschaft aktiv einbringen und freuen sich, wenn sie gebraucht werden.

Hipp bietet  in seinem Buch einen sehr persönlichen Einblick in die Missstände unserer Gesellschaft, basierend auf vielen Beispielen und persönlichen Erfahrungen. Doch dies ist nur die notwendige Grundlage, um sein Plädoyer für die „Agenda Mensch“ zu verstehen. Er formt mit vielen innovativen und wünschenswerten Ideen und Forderungen ein neues solidarisches und gerechtes Gesellschaftsmodell – mit dem Mensch in der Mitte.

 

Autorin: Doris Polzin (anlässlich der Buchvorstellung im Juli 2011 im Münchner Künstlerhaus)

ISBN-10: 3871346691

ISBN-13: 978-3871346699

Bildnachweis: Rowohlt Verlag GmbH