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Workshop „Diskurs über Ethik im Internet“ mit Prof. Falko von Falkenhayn am 16. Juli 2013

Herr Prof. Dr. Falko von Falkenhayn war im Rahmen eines Seminars zum Thema „Wertebasierte Unternehmensführung“ von Ethica Rationalis an die Hochschule München eingeladen worden. Er hat viele Jahre leitende Positionen in der Industrie bekleidet und gibt seine Erfahrungen im Bereich Wirtschaftsethik seit einigen Jahren unter anderem im Rahmen seiner Lehrtätigkeit an der Technischen Hochschule Wildau weiter. Die zentralen Fragen, die er an den Anfang seines Vortrags stellte, lauten:

  • Was braucht der Mensch, um sich zu entwickeln?
  • Wie befördert und verhindert das Internet das?
  • Welche Standards und Regeln sind nötig, welche lassen sich durchsetzen?

Prof. von Falkenhayn zufolge spiegelt das Internet unsere Kultur, unser Menschsein und prägt uns nachhaltig – daher sei es so wichtig, Orientierungshilfen zu haben. Denn nicht alles, was technisch möglich ist, müsse auch gut sein. Ziel seines Vortrags sei es, bei den Studierenden ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass das Internet kein ethikfreier Raum ist.

Charakteristische Merkmale des Internet

Er vertiefte seine Ausführungen, indem er auf die zentralen Merkmale des Internets einging, z.B. Freiheit, Geschwindigkeit, Ortsunabhängigkeit, geringe Kosten, aber auch geringe Kontrolle. Er setzte diese in Bezug zu unserem (westlichen) Menschenbild (und den daraus abzuleitenden Bedürfnissen des Menschen), um aufzuzeigen, welche Fähigkeiten zur Entfaltung das Internet bietet, aber auch welche Bedrohungen gleichzeitig davon ausgehen. Als Beispiel nennt er die Möglichkeit zur Selbstdarstellung, die in manchen Fällen bis zur Selbstenthemmung oder Egomanie führe. Prof. von Falkenhayn betonte, dass er in keinster Weise ein Internetgegner sei, dass er aber trotz seiner positiven Grundeinstellung deutlich die Gefahren sehe, wie u.a. der Umbau unseres Denk- und Erinnerungsvermögens durch konstante Reizüberflutung – die geistige Architektur unseres Gehirns ändere sich unweigerlich… was mit Erschöpfung, Passivität, Gereiztheit und anderen körperlichen Symptomen einhergehen kann. Die für ihn größten Internetgefahren fasst er wie folgt zusammen:

  • Privatsphäre wird zu einem Ding von gestern.
  • Anonymität/Remail Server: Keine Identität des Absenders.
  • Nachhaltigkeit verdreht sich ins Gegenteil: Eine einmal falsch abgesandte Nachricht bleibt dauerhaft im Raum.
  • Cyber-Mobbing: Jeder kann problemlos anonym fertig gemacht werden.
  • Datensammlung: Datenschutz wird zum Schlagwort.

Ansatz für eine globale Internetethik

Abschließend stellte der Dozent verschiedene wissenschaftliche Ansätze zur Internetethik vor, u.a. von Debatin (kommunikative Ethik), Sandbothe (pragmatische Ethik), Greis (Privatheit, Authentizität, Verantwortung und Identität) sowie Wolff (Personalität, Reziprozität, Authentizität, Wahrhaftigkeit). Er rundet diesen Punkt ab, indem er seinen von ihm entwickelten Ansatz vorstellt, wie man sich seiner Meinung nach dem Thema Ethik im Internet annähern solle – ein Ansatz, der sich aus den zwei Komponenten ‚Respekt‘ und ‚trial & error‘ zusammensetzt:

  • Internetethik sollte auf einem Respekt gegenüber dem anderen basieren; dies beinhaltet Kommunikation auf Augenhöhe, Achtung von Privatheit, keine Mails ohne klar zurechenbare Absender;
  • Internet und Ethik müssen verantwortliches Handeln beinhalten, also dass ich…

…nicht allein der Maßstab meiner Handlungen bin,

…mich nicht in der Handlungsanonymität verstecken kann,

…gegebenenfalls für entstandene Folgen einstehe. 

Chancen und Risiken des Internets

In der anschließenden Diskussion ging Herr Dr. von Falkenhayn nochmals auf den Kernpunkt seines Vortrages ein, dass das Internet keineswegs ein ethikfreier Raum sei. Allerdings gebe es aufgrund der rasanten Verbreitung des Internets in den letzten Jahren noch keine nationalen oder globalen Ethikregeln in der Nutzung des Internets. Die Menschheit stehe letztendlich vor einem ähnlichen kulturellen Quantensprung, wie z.B. die nach Entdeckung der Buchdruckerkunst durch Gutenberg. Nur haben dies sehr viele Menschen noch nicht erkannt. Auch die Studenten sähen wohl diesen Quantensprung eher nicht, da sie in das Internetzeitalter bereits hineingeboren worden sind.

Ein weiterer Aspekt in der nachfolgenden Diskussion waren die negativen Auswirkung der exzessiven Nutzung des Internets: die vielen Information kosten uns ‚Aufmerksamkeitszeit‘. Dies kann zu einem eventuellen „Minusgeschäft“ werden – mit den Folgen: Auszehrung, Vergesslichkeit und letztendlich Gefühl der Verblödung.

Hieran anknüpfend diskutierte Herr von Falkenhayn mit den Studierenden das Thema Multitasking – ausgehend von der Beobachtung, dass in den Vorlesungen seitens der Studenten häufig das Smartphone benutzt wird (Facebook etc.). Viele Studien belegen, dass Multitasking nicht produktiv ist, die Aufmerksamkeit bei allen simultanen Tätigkeiten leidet und letztendlich keine Tätigkeit 100% perfekt erledigt werden kann. Er riet stark davon ab und empfahl, sich besser stets auf eine einzige Tätigkeit zu konzentrieren.

Abschließend wurde noch der Fall „Snowden“ diskutiert. Auch hier zeigte sich deutlich, dass die negativen Auswirkungen der Internetgesellschaft noch gar nicht erfasst werden. Snowdens Enthüllungen seien ein klares Signal dafür, wie das Reich von George Orwell (in seinem Buch ‚1984‘ – „Big Brother is watching you“) schon Wirklichkeit geworden ist. Da gerade die junge Generation mit ihren persönlichen Daten im Internet sehr sorglos umgehe, könne diese Datenaffäre zumindest zu einem Überdenken der persönlichen Praktiken führen. Der Dozent hob im Zusammenhang mit dem Vorlesungsthema „Werte“ den Wert des Mutes hervor, den Snowden seiner Meinung nach vorbildlich mit seinen Enthüllungen verkörpere.

Für die Zukunft wünschte sich Prof. von Falkenhayn klare Regeln zur Löschung persönlicher Daten, was global verbindlich festgelegt werden sollte. Er benutzte den bildhaften Vergleich eines (Daten-)Rucksacks, der über die Lebenszeit immer „schwerer“ wird, einen Menschen „erdrücken“ kann; um das zu verhindern, sei eine „Leerungsfunktion“ nützlich und notwendig.

 

Autorinnen: Angela Poech und Doris Polzin

Bildnachweis: Ethica Rationalis