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„Zählt das Prinzip Verantwortung nicht mehr?“ Ein Einblick in Ursachen und Hintergründe der Finanzkrise

Zählt das Prinzip Verantwortung nicht mehr? Ein Einblick in Ursachen und Hintergründe der Finanzkrise

 

von Prof. Dr. Angela Poech am 22. Juni 2009 am Internationalen Begegnungszentrum der Wissenschaft, München, in Kooperation mit Ethica rationalis e.V., München

Unser herzlicher Dank geht an den Vorstand des Internationalen Begegnungszentrums der Wissenschaft (IBZ) und die Programmdirektorin Monika Stoermer für die Gelegenheit, die Arbeit des Vereins Ethica  Rationalis e.V. in diesem akademischen Rahmen vorzustellen.


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Mit der Frage „Zählt das Prinzip Verantwortung nicht mehr?“ leitete die Referentin in Bezugnahme auf den Titel ihren Vortrag ein. Der Grund für die Wahl dieses Titels sei, dass die gegenwärtige Wirtschaftskrise neben dem finanziellen Aspekt auch eine gesellschaftliche Dimension aufweise. „Das Prinzip Verantwortung“, ein Begriff des Philosophen  Hans Jonas, bringe zwei Dinge zusammen: Dass Menschen als freie Wesen Verantwortung tragen und dass dieses Tragen von Verantwortung im normativen Sinne zum Prinzip erhoben werden sollte. Handeln Menschen verantwortlich, handeln sie automatisch auch rücksichtsvoll, vorausschauend, umsichtig… und sie schätzen die Folgen ihres Handelns ab. Gerade dieses Abschätzen von Folgen bzw. das Einschätzen von finanziellen, aber auch wirtschaftlichen Risiken, von enormer Tragweite, sei offensichtlich im Rahmen von Finanzentscheidungen in vielen Fällen unterblieben.

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Nach einer kurzen Einführung zum Begriff „Verantwortung“, in dem vor allem der Aspekt der Rechenschaftslegung („Antwort geben“) hervorgehoben wurde, ging die Referentin auf die Entstehungsgeschichte und die Ursachen der Finanzkrise ein. Die anschließende Interpretation der Ereignisse galt den verschiedenen Formen unverantwortlichen Handelns, von ihr als „Erosion der Verantwortung“ bezeichnet: Die Annahme ständig steigender Immobilienpreise, die Vergabe von Hypothekendarlehen an Kreditnehmer mit geringer Bonität, die vielschichtige Verbriefung von Krediten, die Kritiklosigkeit der Anleger – bis hin zu psychologischen Ursachen wie die Maximierung persönlicher Vorteile, Erfolgsarroganz und Gruppendruck.

Im Weiteren ging sie auf das Entscheidungsmodell der Ökonomie ein und stellte dar, inwiefern dieses Gedankenmodell mitverantwortlich für die jüngsten Entwicklungen ist. Um aufzuzeigen, welche Lösungsmöglichkeiten die Finanzkrise in sich birgt, bezog sie sich auf das Modell des Idealstaats von Platon und betonte, wie wichtig es sei, Veränderungen auf allen Ebenen der Gesellschaft herbeizuführen. Es gehe um die Einheit in den Grundsätzen und Prinzipien aller Teile des Systems – eine ethische Gesellschaft könne nur erreicht werden, wenn jedes Subsystem und jedes Systemelement sich ethisch verhalte. Im Folgenden vertiefte Angela Poech diese These, indem sie auf notwendige Veränderungen der drei Ebenen Gesellschaft, Unternehmen und Individuum einging – nicht ohne hervorzuheben, dass zum einen die Tugendhaftigkeit der Führungspersonen von zentraler Bedeutung sei, zum anderen die ethische Schulung der jungen Menschen, die eines Tages diese Führungspositionen bekleiden werden.

Sie schloss ihren Vortrag mit dem Leitgedanken, dass nach Adam Smith „Vernunft,  Grundsatz und Gewissen unsere inneren Führer sein sollen“. Als universale ethische Prinzipien empfahl sie den „Kampf gegen die niederen Instinkte“, wie Platon es nennt, sowie die Goldene Regel, die in allen Religionen und Philosophien dieser Welt Gültigkeit besitze. Sie forderte die Zuhörer auf, die Ereignisse der Krise unter diesem Licht neu zu betrachten, um zu erkennen, inwiefern das Prinzip Verantwortung vielfach durchbrochen wurde.

In ihrer Schlussformulierung hob sie hervor, wie wichtig es sei, dass jeder Einzelne Verantwortung übernehme. Dies müsse auf der Basis eines gemeinsamen Wertekodex geschehen, über den sich alle Mitglieder unserer Gesellschaft einig sein dürften: Gerechtigkeit, Gleichheit, Solidarität usw. Mit einem afrikanischen Sprichwort rundete sie diesen Gedanken ab:

„Viele kleine Menschen, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, werden das Gesicht der Welt verändern.“